Verlagerung der Steuerschuldnerschaft – Anforderungen an die Person des Leistungsempfängers

In einer aktuellen Rechtsprechung in Bezug auf die Steuerschuldnerschaft urteilte der Bundesfinanzhof hinsichtlich der Voraussetzungen hinsichtlich der Leistungsempfänger im Zusammenhang mit der Umsatzsteueridentifikationsnummer. Wir erläutern Ihnen die wichtigsten Aspekte in dieser Konstellation und die Auswirkungen aus unser digitales Steuerbüro.

Welcher Sachverhalt lag der aktuellen Rechtsprechung zugrunde?

Eine mit Sitz in der Europäischen Union tätige Kapitalgesellschaft betrieb einen digitalen Marktplatz im Internet, auf dem verschiedene Akteure Waren anbieten konnten. Die Hauptdienstleistung des betroffenen Unternehmens lag in der Zugänglichkeit und dem Angebot des Marktplatzes zu ermöglichen, wofür Gebühren erhob wurden. Diese richteten sich nach den erzielten Verkaufserlösen. Bei der Anmeldung auf der Plattform mussten die Nutzer angeben, ob sie den Marktplatz als Privatperson oder als Unternehmer nutzen wollten. In diesem Zusammenhang waren bei der Nutzung als Unternehmer verschiedene Eingaben erforderlich. Dazu zählten unter anderem der Name des Unternehmens und die Branche, die, Handelsregisternummer und
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.).

Insofern keine USt-IdNr. angegeben wurde, musste dies besonders bestätigt werden, da eine Prüfung der Gültigkeit durch den Marktplatzbetreiber erfolgt. Diese Überprüfung erfolgte bei neuen Angaben in jeder Woche automatisch über das Austauschsystem in Bezug auf die Mehrwertsteuer-Informationen der EU. Zudem kontrollierte das Unternehmen alle Umsatzsteuer-Identifikationsnummern vierteljährlich, unabhängig davon, wann die Registrierung erfolgte.

Falls sich ein Nutzer als gewerblicher Nutzer registrierte, aber keine oder eine ungültige USt-IdNr. angab, überprüfte der Anbieter die Unternehmereigenschaft anhand von drei Parametern:

  • dem Verkauf von einer Mindestanzahl bestimmter Artikel im aktuellen oder vorherigen Jahr,
  • den Mindestgebühren auf Basis eines bestimmten Betrages im aktuellen oder vorherigen Jahr,
  • der Nutzung der gewerblichen Plattform

War der Nutzer nach seinen Angaben im Inland ansässig und erfüllte eines der drei Kriterien, ging der Betreiber des Marktplatzes davon aus, dass der Nutzer nach Paragraf 13b, Absatz 5, Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes steuerpflichtig war.

Zu welchem Urteil gelangte das Finanzamt und wie war der weitere Verlauf?

Auf Basis der vorgenannten Parameter und „Annahmen“ im Zusammenhang der Steuerschuldnerschaft war das Finanzamt jedoch der Ansicht, dass nur die Nutzer in dieser Konstellation als Unternehmer behandelt werden darf. Die Voraussetzung für die Behandlung war, dass eine gültige USt-IdNr. vorgewiesen werden konnte. Im Resultat waren die drei vom Unternehmen fixierten Kriterien nicht ausreichend, um die Eigenschaft als Unternehmer der jeweiligen Marktplatznutzer zu bestimmen.

Im Rahmen der Prüfung übermittelte das Unternehmen jedem Leistungsempfänger, der anhand der drei Parameter als Unternehmer eingestuft wurde, die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern mithilfe eines Datenträgers. Somit konnte in der Argumentation des Anbieters die erhöhte Umsatzsteuer nach dieser Prüfung um die Hälfte reduziert werden. Das Finanzamt als Revisionskläger überprüfte die nachgereichten Umsatzsteuer-Identifikationsnummern in einer Stichprobe. Dabei stellte das Finanzamt fest, dass viele der geprüften Nummern nicht vollständig, mit Fehlern behaftet oder zum Zeitpunkt der Leistung ungültig waren. Zudem waren die nachgereichten Nummern nicht in den zusammenfassenden Meldungen enthalten. Nach der Übermittlung des zweiten Datenträgers kam es durch das Finanzamt zur Forderung einer weiteren Liste mit den Bezeichnungen und Adressdaten der Personen, die als Unternehmer eingestuft wurden. Der Anbieter verweigerte die Übersendung mit dem Verweis auf die bereits übermittelten Unterlagen und die Ansicht des Amtes, dass ausschließlich die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer relevant sei.

Aufgrund dieser Konstellation wertete das zuständige Finanzamt den Bericht final aus und verteilte die höheren, für das Jahr 2015 ermittelten, Steuern, gleichmäßig auf die vier Voranmeldungszeiträume des Jahres 2015. In der Folge setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für alle vier Quartale 2015 fest und wies den Einspruch für das erste Quartal 2015 als unbegründet zurück.

Welche weiteren Aspekte spielten bei der Urteilsbegründung im Zusammenhang mit der Steuerschuldnerschaft eine Rolle?

In dem Urteil wurde in der Folge festgestellt, dass die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft nicht davon abhängt, ob der Leistungsempfänger eine gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet. Diese Verlagerung verschiebt die Verantwortung für die Steuerschuld vom liefernden Unternehmer auf den Empfänger der Leistung, was eine Beweislast für den leistenden Unternehmer bedeutet. Eine Entscheidung basierend auf dieser Beweislast kann erst getroffen werden, wenn der Sachverhalt im finanzgerichtlichen Verfahren nicht mehr aufklärbar ist.

In Bezug auf die vorangegangene Begründung wurde in dem Urteil in Bezug auf die Steuerfestsetzung festgestellt, dass die Höhe der Festsetzung der Steuer fehlerhaft sein könnte, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die in den nachgereichten Listen während der Umsatzsteuer-Sonderprüfung enthaltenen Datensätze in Bezug auf die Eigenschaft als Unternehmer identifiziert und überprüft hätten überprüft werden können. Auf dem zweiten Datenträger waren die Firmennamen und Adressen der genannten Empfänger aufgeführt. Das hätte entsprechend der Beurteilung des Finanzgerichtes die Option gehabt, die übermittelten Datensätze zu prüfen und insbesondere auf gültige USt-IdNrn. zu prüfen und diese anzuerkennen.