Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte: Wann ist eine längere Fahrtstrecke verkehrsgünstiger?
In dem aktuellen Urteil geht es um die Fahrten zur Arbeitsstätte und die Auswirkungen auf die Steuerberatung, wenn ein Arbeitnehmer nicht die kürzeste Wegstrecke nutzt. Wir erläutern Ihnen, wie Sie auch weitere Fahrtstrecken steuerlich nutzen können, wenn Sie dadurch Zeit sparen.
Was bedeutet „erste Tätigkeitsstätte“?
In der aktuellen Rechtsprechung geht es unter anderem um die erste Tätigkeitsstätte. Dabei handelt es sich um den Ort, an dem der Arbeitnehmer dauerhaft oder regelmäßig tätig ist. Dies kann das Büro, die Werkstatt oder jede andere feste Einrichtung des Arbeitgebers sein. Die erste Tätigkeitsstätte ist im Steuerrecht wichtig, da sie darüber entscheidet, welche Fahrtkosten und Reisekosten steuerlich geltend gemacht werden können. Ein Arbeitnehmer mit mehreren Tätigkeitsstätten hat in seinem Arbeitsvertrag im Regelfall eine erste Tätigkeitsstätte fixiert. Gern beraten wir Sie in dieser Konstellation bei Fragen zur Steuerberatung.
Um welchen Sachverhalt ging es in der aktuellen Rechtsprechung konkret?
In dem vor kurzer Zeit verhandelten Fall nutzte der Kläger für seine Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte eine deutlich längere Route über die Autobahnen A7 und A39, was zu einer Fahrtstrecke von 102 Kilometern führte. Eine deutlich kürzere Strecke führt über die Autobahn A2 mit einer Distanz von circa 75 Kilometern.
Das Finanzamt erkannte jedoch nur eine einfache Strecke von 84 Kilometern an, da der längere Fahrtweg aus Sicht des Finanzamtes nicht offensichtlich verkehrsgünstiger sei. Es folgte die Einreichung der Klage mit dem Ziel, die höheren Fahrtkosten anerkannt zu bekommen, da die Strecke über die A7 und A39 nach dem Verlassen der Autobahn so nah an die Tätigkeitsstätte des Klägers führt, dass er nur noch zwei Ampeln passieren müsse. Die Kläger argumentieren ergänzend dazu, dass aufgrund der schweren Behinderung des Klägers langes Sitzen für die Gesundheit nicht förderlich sei.
Zu welchem Urteil gelangte das Finanzgericht?
In dem aktuellen Urteil wies das Finanzgericht die Klage ab und entschied, dass die längere, vom Kläger genutzte Strecke nicht als die offensichtlich verkehrsgünstigere Fahrstrecke anzusehen ist. Laut der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der das Finanzamt gefolgt ist, gilt eine Straßenverbindung nur dann als verkehrsgünstiger als die kürzeste Verbindung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte, wenn ihre Vorteilhaftigkeit so offensichtlich ist, dass auch ein verständiger Verkehrsteilnehmer unter den gegebenen Verkehrsbedingungen diese Strecke wählen würde. Das Finanzgericht konnte jedoch nicht feststellen, dass die vom Kläger benutzte längere Strecke über die Autobahnen A7 und A39 verkehrsgünstiger sei als die kürzere Strecke. Nach den Recherchen des Finanzgerichts mit Google Maps ist die Strecke über die A2 deutlich kürzer, sondern bei üblichem Verkehr auch 11 Minuten schneller. Ergänzend dazu sei die längere Strecke nach dem Urteil auch nicht „offensichtlich“ verkehrsgünstiger, da ein unvoreingenommener und objektiver Verkehrsteilnehmer nicht davon ausgehen würde, dass die um circa 28 Kilometer längere Strecke üblicherweise schneller und pünktlicher zur ersten Tätigkeitsstätte führt.
Welche weiteren Folgen hat dieses Urteil?
Grundsätzlich bietet diese gegenwärtige Rechtsprechung in Bezug auf die Fahrten zur Arbeitsstätte Klarheit, dass neutrale und objektive Kriterien wie die Fahrzeit und die Wegstrecke maßgeblich für die Vorteilhaftigkeit des Weges sind. Insofern beide Parameter im Vergleich zu anderen Routen keine Vorteile aufweisen, sind diese auch nicht ansetzbar. Dabei spielt nach dem aktuellen Urteil auch keine Rolle, ob eine höhere Anzahl von Ampeln vorliegt. Liegen langfristige Verkehrsbehinderungen, beispielsweise durch Baustellen vor, verändert sich die Dauer der Fahrtstrecke auch deutlich, sodass in dieser Konstellation auch eine längere Fahrtstrecke vom Finanzamt beziehungsweise Finanzgericht akzeptiert werden könnte. Gern beraten wir Sie als Arbeitnehmer in diesen Fällen mit einer professionellen Steuerberatung.
Welche Krankheitsgründe können eine Rolle spielen?
In dem aktuellen Urteil handelte es sich beim Kläger um eine Person mit einer schweren Behinderung. Das aktuelle Urteil zeigt, dass Krankheitsgründe gegen die Zumutbarkeit der Nutzung der kürzeren Fahrtstrecke sprechen können, da im vorliegenden Fall auch eine erhöhte Unfallgefahr auf der kürzeren Strecke und die Notwendigkeit planbarer Pausen wegen Rückenleidens Schwerbehinderung vorgebracht wurden. Dies reicht jedoch nach der finalen Rechtsprechung nicht aus, um die Unzumutbarkeit der kürzeren Strecke zu begründen, insbesondere wenn der Arbeitnehmer die kürzere Strecke infolge eines Standortwechsels des Arbeitgebers später tatsächlich nutzt.
Was sind die steuerlichen Auswirkungen für den Arbeitnehmer in Bezug auf den Weg zur ersten Arbeitsstätte?
Die steuerlichen Auswirkungen hängen grundsätzlich davon ab, welche Strecke zur ersten Tätigkeitsstätte als verkehrsgünstiger vom Finanzamt anerkannt wird. Nur die Fahrtkosten für die tatsächlich genutzte Strecke können steuerlich geltend gemacht werden, sofern diese verkehrsgünstiger ist als die kürzeste Verbindung, welche sonst immer anzusetzen ist. Dabei müssen jedoch alle relevanten Umstände, einschließlich gelegentlicher Verkehrsstörungen und individueller gesundheitlicher Einschränkungen, berücksichtigt werden.